Fahnen im Staatswesen
Etliche Stadtstaaten oder freie Gemeinschaften führten anfänglich keine Wappen, denn diese waren zuerst dem Adel vorbehalten. Hingegen besassen viele dieser Staaten schon früh ab dem 12. Jahrhundert Fahnen. So entstand in Zürich zuerst die noch heute bekannte Stadtfahne, erst nachher legte sich die Stadt das Wappen zu. Die älteste bekannte Zürcher Fahne trägt die Jahreszahl 1437, sicher aber waren blau-weisse Fahnen schon früher in Gebrauch. Das gilt auch für die Stadt Luzern, dessen Fahne auf die Mitte des 13. Jahrhunderts zurückgeht, oder für den Kanton Schwyz, der spätestens ab Ende des 13. Jahrhunderts eine einfache rote Fahne führte.
Die älteste noch vorhandene Schwyzer Fahne, ganz einfach rot ohne Beizeichen, wurde in der Schlacht bei Morgarten 1315 getragen! Etwas später, spätestens aber im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts, wurde auf diese rote Fahne an der oberen Stangenseite ein kleines religiöses Bild angebracht. Solche Zeichen nennt man auch Eckquartier oder Zwickelbild. Das älteste noch erhaltene Schwyzer Eckquartier besteht aus einem bemalten Lederstück, welches auf eine rote Fahne genäht ist, die nachweislich während der Burgunderkriege 1474-1477 getragen worden war. Dieses Eckquartier zeigt den gekreuzigten Jesus mit den Marterwerkzeugen, ein Motiv, das Arma Christi genannt wird. Die Schweizer Bilderchroniken des 15. Jahrhunderts zeigen manchmal eine skizzenhafte Form dieses Eckquartiers mit einem einfachen Kreuz und zwei kleinen Strichen, ein Motiv, welches auch als Heilig Rych bezeichnet wird, aber eigentlich denselben Ursprung hat.
Dies zeigt eine diesen alten Schwyzer Fahnen in vereinfachter Form nachempfundene Kreation. Eine Standesscheibe aus dem Jahre 1501 zeigt das rote Schwyzer Banner mit schwarzem Eckquartier und goldenem Kreuz mit Marterwerkzeugen. Im Jahre 1512 schenkte der Papst Julius II. aus Dankbarkeit für ihre militärische Hilfe den Eidgenossen und ihren Verbündeten kostbare Fahnen, die sogenannten Juliusbanner: Dasjenige des Standes Schwyz ist noch erhalten und hat ein schwarzes Eckquartier mit dem Gekreuzigten und den Marterwerkzeugen sowie den päpstlichen Schlüsseln in Gold. Als Grundlage zur Gestaltung der alten Schwyzer Fahne hat man sich an das Farbmuster der Standesscheibe und dasjenige dieses berühmten Banners gehalten [Bild2].
Im Verlauf des 17. Jahrhunderts fügte man ein durchgehendes weisses Kreuz in die roten Fahnen mit Eckquartieren, im 18. Jahrhundert wurden diese dann durch rot und weiss geflammte Fahnen mit durchgehendem Kreuz abgelöst und erstmals im Jahre 1792 findet sich auf einer roten Schwyzer Militärfahne ein weisses Kreuzchen in der Oberecke. Im Jahre 1815 wurde auch das rote Wappen des Kantons Schwyz mit einem kleinen weissen Kreuzchen in seiner linken Oberecke versehen. Der Kanton Schwyz gab unserem Land seinen Namen, auch die rote Farbe seiner Fahne beeinflusste unsere Landesfahne, das Kreuz in unserer Nationalfahne aber stammt nicht vom Kanton Schwyz.
Funktion und Form der Fahnen
Die ungeheure Signalwirkung wehender Stoffe und ihre gute Erkennungsmöglichkeit auf Distanz förderte das Fahnen- und Flaggenwesen ungemein. Es entwickelten sich rasch verschiedene Flaggentypen wie z. B. Stander oder zweizipfelige Flaggen (in der Fachsprache Doppelstander genannt). Die Flaggen erhielten auch verschiedene Funktionen: Signalflaggen, Handelsflaggen, Dienstflaggen, Rangflaggen. Die militärischen Einheiten kennzeichneten sich durch verschiedene Fahnen, ebenso Personen, Staaten, Landschaften. Es entwickelten sich nationale Muster.
Geflammte Fahnen
So etwa kennzeichnen quadratische Fahnen mit durchgehendem weissen Kreuz und farbig geflammten Feldern die schweizerischen Militärfahnen des 17. und 18. Jahrhunderts. Die rote Fahne mit dem durchgehenden weissen Kreuz und schwarzen Flammen entspricht der im 18. Jahrhundert verwendeten Militärfahne des Kantons Bern. Bereits 1502 führte Bern eine Kriegsfahne mit weissem Kreuz und einer oberen roten und einer unteren schwarzen Hälfte ein. Im Jahre 1703 wurden dann die geflammten Fahnen für die Berner Armee Ordonnanz. Bei der angefertigten Replika solcher Berner Militärfahnen [BILD 8] reichen die schwarzen Flammen aber nicht wie im Original bis an das weisse Kreuz heran. Langsam verschwanden die geflammten Militärfahnen in der Schweiz mit dem Aufkommen der Bundesfahne ab 1833, bis zuletzt im Jahre 1865 auch die alten Fahnen der Landwehr, die oftmals noch ein Flammenmuster hatten, durch die rote Fahne mit dem Schweizerkreuz ersetzt wurden.
Vorgeschichte der Schweizer Fahne
Erst gegen Ende des 18. und im frühen 19. Jahrhundert entstanden die Nationalflaggen im heutigen Sinne, als nämlich durch die französische Revolution die bürgerlichen Freiheiten und damit auch der Staat und seine Symbole zum Allgemeingut wurden. In Anlehnung an die maritimen Flaggen wurden diese Nationalflaggen nun einfacher, leichter zu erkennen und auch billiger herzustellen - sie bestanden meist aus farbigen Stoffbahnen. Als Vorbild diente die französische Trikolore, welche in ganz Europa, ja auch in Südamerika, viele Nationalflaggen beeinflusste.
Im Januar und Februar 1798 brachen unter dem Einfluss der französischen Revolution in mehreren Landesteilen der damaligen Eidgenossenschaft Aufstände aus, die Waadt machte sich am 24. Januar 1798 von Bern unabhängig, und Anfangs März hatten französische Truppen die alte Eidgenossenschaft überrannt.
Am 19. März wurde unter dem Druck der Fremdherrschaft die einheitliche Helvetische Republik ausgerufen, und am 14. April führten die helvetischen Räte eine dreifarbige Kokarde ein, nämlich grün, rot und strohgelb. Am 13. Februar 1799 dann wurde eine neue Fahne eingeführt: Diese war natürlich eine Trikolore, im waagrechten Streifenmuster grün, Rot, Gelb. Diese Fahne darf als die erste schweizerische Nationalflagge überhaupt bezeichnet werden, auch wenn sie von der Mehrheit der Bevölkerung nicht geliebt wurde und schon Anfang 1803 wieder verschwand. In unseren Museen befinden sich noch einige Militärfahnen der Helvetischen Republik mit goldenen Inschriften auf dem roten Streifen (z.B. Helvetische Republik oder République Helvétique auf der Vorderseite und Liberté, Unité, Egalité auf der Rückseite).
Geburt der heutigen Schweizerfahne
Die Eidgenossenschaft entwickelte sich in den folgenden Jahrzehnten zu einem starken Gemeinwesen, das 1848 in der Bundesverfassung gipfelte. Die Tagsatzung hatte bereits im Jahre 1815 ein Staatssiegel angenommen, welches ein frei schwebendes Kreuz zeigte. Diese Siegel war der eidgenössischen Medaille aus dem Jahre 1547, dem sogenannten Patenpfennig, nachempfunden, worauf ebenfalls das frei sch